Spesensätze für Dienstreisen: Darf es etwas mehr sein?

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Benjamin Romberg

Veröffentlich am 20. September 2022

Wie so oft in der deutschen Sprache beginnt das Problem schon mit dem Begriff an sich: Verpflegungsmehraufwand. Was für Ausländer vermutlich wie ein bedrohliche Krankheit klingt, ist auch für viele Deutsche zunächst mal sperrig und nur bedingt verständlich.

Kaum verwunderlich, schließlich wurde das Ungetüm irgendwo hinter der grauen Fassade eines Behördenbaus geboren und lebt nun im Steuerrecht. Genauer gesagt: im Einkommenssteuergesetz, das die Abrechnung von Reisekosten auf Dienstreisen regelt.

Bedenklich ist schon, dass Verpflegung hier mit Aufwand verbunden wird; die Ernährung der arbeitenden Bevölkerung unterwegs als mühevoller Akt, der einer gesetzlichen Regelung bedarf. Lassen sich hieraus am Ende gar Rückschlüsse auf die deutsche Esskultur ziehen? Womöglich. Das soll aber nicht das Thema sein.

Denn das eigentliche Problem besagter Regelung ist, dass sie die Verpflegung erst aufwendig macht – mit sehr knapp bemessenen Spesensätzen für Reisen innerhalb Deutschlands. Dies gilt übrigens nicht nur für die Ernährung, sondern theoretisch auch für Übernachtungen.

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Wie Spesensätze funktionieren

Dabei war die Grundidee eigentlich gut. Der Verpflegungsmehraufwand besagt nämlich im Grunde nur: Wer beruflich reist und dadurch zusätzliche Kosten für Verpflegung zu tragen hat, die man an einem normalen Arbeitstag in der Heimat nicht hätte, der bekommt diese Ausgaben vom Arbeitgeber erstattet oder kann sie in der Steuererklärung berücksichtigen.

Und da es sehr aufwendig wäre, diese Mehrkosten in jedem Einzelfall individuell zu ermitteln, können Dienstreisende pauschale Spesensätze abrechnen, unabhängig von den tatsächlichen Ausgaben.

Für einige mag die Regelung ganz praktisch sein, da man so nicht an jeder Currywurstbude nach einem Beleg für die Buchhaltung fragen muss; und falls die Kosten tatsächlich mal unter der festgelegten Pauschale liegen, kann sogar noch ein kleiner Bonus herausspringen. Doch das dürfte nicht allzu oft der Fall sein angesichts der Knausrigkeit, mit der die Spesensätze festgelegt sind.

Spesensätze im Deutschland (Inland)

Seit 2020 sind es für ganze Reisetage in Deutschland 28 Euro), wobei dafür Kalendertage ausschlaggebend sind; die Summe wird also nur fällig, wenn die oder der Reisende tatsächlich von 0 bis 24 Uhr unterwegs ist. Ansonsten kann nur noch die Hälfte abgerechnet werden: 14 Euro für Reisen zwischen acht und 24 Stunden. Eine weitere Pauschale für kürzere Reisen wurde mit der Reisekostenreform 2014 abgeschafft.

Nehmen wir zwei Beispiele, um zu zeigen, was das in der Realität bedeutet.

Wer morgens um 8 Uhr von Berlin nach Hamburg aufbricht für einen Kundentermin und am Nachmittag um 15.30 Uhr wieder am Arbeitsplatz in Berlin eintrifft, der geht nach diesem Modell leer aus.

Nun mal angenommen, man verlässt um 4 Uhr morgens das Haus, um den ersten Flug von Berlin nach München zu erwischen, wo ein langer Tag mit vielen Meetings wartet, bevor man kurz vor Mitternacht wieder zuhause ist. In diesem Fall beträgt das Verpflegungsbudget für den ganzen Tag in einer der teuersten Städte Deutschlands: 14 Euro.

Eine Übernachtung für 20 Euro?

Wer jetzt angesichts der unchristlichen Reisezeiten denkt, da wäre man doch besser über Nacht in München geblieben und am nächsten Tag zurückgereist – zumindest in der Theorie ist das weit gefehlt. Denn was viele nicht wissen: Die Übernachtungspauschale für Dienstreisen innerhalb Deutschlands liegt bei 20 Euro. In Worten: zwanzig. Wer nicht gerne unter freiem Himmel schläft, wird damit nicht allzu weit kommen – egal, in welcher Stadt.

Nun werden natürlich viele sagen, dass der Arbeitgeber für ein ordentliches Hotel aufzukommen hat und in den meisten Unternehmen ist das auch der Fall. Nur: Wozu bedarf es dann überhaupt einer Regelung? Zumal dies für die Verpflegungspauschalen nicht gilt, hier hält sich der Arbeitgeber oft an die vorgegebenen Beträge und verweist auf das Gesetz. So haben Geschäftsreisende keine Möglichkeit, die tatsächlichen Kosten abzurechnen.

Und eine gesunde und ausgewogene Ernährung ist angesichts dieser Pauschalbeträge für Dienstreisende schwer möglich. Klar, wer die Zeit hat, im Supermarkt einkaufen zu gehen und sich selbst etwas zuzubereiten, könnte damit auskommen. Nur fehlt eben genau diese Zeit auf Dienstreisen. Die Reisezeit soll möglichst effizient genutzt werden, oft werden mehrere Termine in einen Tag gequetscht.

Hinzu kommt, dass es umso schwieriger ist, günstiges und gutes Essen zu finden, wenn man an einem Ort ist, an dem man sich kaum auskennt und von Termin zu Termin hetzen muss.

Sambia und Samoa haben eigene Spesensätze

Wie realitätsfern die festgelegten Pauschalen sind, lässt sich schon daran erkennen, dass keinerlei regionale Unterschiede gemacht werden. Für eine Reise nach München steht genauso viel Verpflegungsgeld zur Verfügung wie für einen Trip nach Gelsenkirchen. Dabei zeigen die Spesensätze für Geschäftsreisen ins Ausland, dass regionale Unterschiede sehr wohl berücksichtigt werden können.

In einer gigantischen Tabelle listet das Bundesfinanzministerium nicht nur verschiedene Verpflegungs- und Übernachtungspauschalen für jedes Land auf – nein, auch einzelne Regionen und Städte werden bedacht. Sambia und Samoa haben eigene Spesensätze und innerhalb der Türkei wird zwischen Istanbul und Izmir unterschieden. Aber es ist nicht möglich unterschiedliche Beträge für München und Mannheim festzusetzen?

Noch absurder wird es, wenn man sich die Entwicklung der Pauschalen im Laufe der Zeit ansieht. Eine Entwicklung gab es nämlich bis vor kurzem überhaupt nicht. Für das Jahr 2020 wurden die Sätze erstmals seit fast zwei Jahrzehnten leicht angepasst (von 24 auf 28 Euro bzw. von 12 auf 14 Euro). Die letzte Veränderung datierte zuvor aus dem Jahr 2002 – und das auch nur wegen der Umstellung von D-Mark auf Euro. Dazwischen lagen fünf Bundestagswahlen und fünf Fußballweltmeisterschaften, aber die Spesensätze für Dienstreisen im Inland, die blieben gleich.

Und auch hier lassen sich zum Vergleich wieder die Spesensätze für das Ausland anführen, die nicht nur deutlich höher sind in den meisten Fällen, sondern auch zeigen, dass regelmäßige Aktualisierungen durchaus möglich sind. Alleine mit dem Update für 2019 wurden 40 Spesensätze für verschiedene Länder und Regionen angepasst.

Unternehmen in der Verantwortung

Zudem wurde in dem Schreiben Folgendes klargestellt: “Die festgesetzten Beträge für die Philippinen gelten auch für Mikronesien, die Beträge für Trinidad und Tobago gelten auch für die zu dessen Amtsbezirk gehörenden Staaten Antigua und Barbuda, Dominica, Grenada, Guyana, St. Kitts und Nevis St. Lucia, St. Vincent und Grenadinen sowie Suriname.”

Mit der Aufschlüsselung dieser von Geschäftsreisenden sicher sehr häufig frequentierten Destinationen hat das Finanzministerium ein drängendes Problem gelöst. An den unrealistischen Vorgaben für Inlandsreisen ändert dies jedoch wenig.

Wenn es schon eine solch detaillierte Regelung gibt, sollte diese Unternehmen auch dazu verpflichten, ihren Mitarbeitern auf Dienstreisen eine ordentliche Verpflegung zu ermöglichen.

Bis dahin liegt es an den Unternehmen selbst, nicht alleine auf die staatlichen Vorgaben zu verweisen, sondern selbst interne Richtlinien zu schaffen, die der Realität von Geschäftsreisenden entsprechen. Damit Reisen eben nicht als Aufwand empfunden werden – und schon gar nicht die Verpflegung unterwegs.

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